Die direkte Kommunikation zwischen Menschen findet zu einem Großteil über nonverbale Informationen statt. Das können Gestiken, Gesichtsausdrücke und sonstige Zeichen sein. Zu diesen nonverbalen Informationen kommen soziale Hinweisreize, die vom jeweiligen Kommunikationspartner aufgenommen werden. Dazu zählen Aussehen, Alter, Kleidung und sogar der Klang der Stimme des Gesprächspartners.

Psychologische Grundlagen Internet

Diese Faktoren können die gegenseitige Meinungsbildung zwischen den Kommunikationspartnern beeinflussen. Die sozialen und persönlichen Kontextinformationen werden in der computervermittelten Kommunikation herausgefiltert (Klapproth & Niemann 2000; Döring 2003). Aus diesem Grund wird die Kommunikation über den Computer und somit auch die Interaktion im Internet oft mit einer Entmenschlichung, Entsinnlichung und einer Entemotionalisierung gleichgesetzt (Döring 2003).

Kommunikationsmodelle

Die Grundlage für die Gedanken, dass computergestützte Kommunikation fundamentale Nachteile mit sich bringt, legen die Theorie der Kanalreduktion und die Theorie des Herausfilterns sozialer Hinweisreize.

Kanalreduktion

Erstere besagt, dass bei der computervermittelten Kommunikation "die meisten Sinnesmodalitäten im interpersonalen Zusammenhang ausgeschlossen" sind (Döring 2003, S. 149). Der Sehsinn oder der Riechsinn können also nicht verwendet werden, um den jeweiligen Gegenüber einzuschätzen. Gerade bei den textbasierten Internet-Diensten, wie E-Mail und Chat, kann der Gesprächspartner also nur über den Inhalt seiner Aussagen eingeschätzt werden. Dieses Modell ist allerdings sehr einseitig aufgestellt und unterstellt jeder Form von Kommunikation per Computer ein Defizit, das zwangsläufig zu einer gestörten Verständigung führen muss (Döring 2003, S. 150). Gerade die fehlenden Möglichkeiten der Übermittlung von Emotionen werden der netzbasierten Kommunikation oft als Schwäche ausgelegt. In der Netzkommunikation haben sich für einen Ausgleich dieses Defizits diverse Kompensationsmöglichkeiten herausgebildet (Döring 2003).

Schon seit den Anfängen der Nutzung von E-Mail und Foren neben Instant Messaging stellte sich die Frage nach dem Ausdruck von Gefühlen. Als Ersatz für mögliche mimische Ausdrücke fanden die Emoticons Einzug in die Netzkommunikation. Mit diesen Kombinationen aus mehreren Satzzeichen ist es möglich, einfache Gesichtsausdrücke nachzuahmen (Wallace 1999, S. 18). Komplexe Emotionen können mit Emoticons allerdings nicht dargestellt werden.

Die Kompensation fehlender nonverbaler Reize kann auch mit Sound- und Aktionswörtern geschehen. Diese Wortbildungen sollen Emotionen oder Gedanken andeuten, indem sie hörbare Regungen oder situative Vorgänge simulieren (Döring 2003, S. 55 f.).
In diesen Zusammenhang passt auch die Verwendung von Großbuchstaben. Werden ganze Wörter groß geschrieben, so soll dies für ein besonders lautes Aussprechen oder sogar Schreien stehen.

Solche Hilfsmittel, die teilweise nonverbale Kommunikation simulieren sollen, werden herangenommen, wenn es darum geht, die Kanalreduktionstheorie zu widerlegen. Allerdings können sie nur einen teilweisen Ausgleich der massiven Defizite der netzbasierten Kommunikation belegen. "Emoticons und Aktionswörter sind keine echten funktionalen Äquivalente für hochdifferenzierte Mimik, Gestik und Proxemik" (Döring 2003, S. 151).

Filtermodelle

Die Filtermodelle greifen die Idee der Reizreduktion auf und wenden sie auf den sozialen Status und das Aussehen der Kommunikationspartner an. Die textbasierte Kommunikation im Internet verhindert, dass die Teilnehmer Informationen über den Gesprächspartner anhand dessen Aussehens sammeln können. Soziale Hinweisreize, wie Kleidung, Schmuck und Körperpflege können nicht erfasst werden (Döring 2003). Diese Informationen sind für die Face-to-Face-Kommunikation aber von entscheidender Bedeutung. Oft kommt ein Gespräch gerade deswegen nicht zustande, weil die sozialen Hinweisreize des Gesprächspartners nicht einladend wirken.

Die textbasierte Umgebung der Webkommunikation sorgt dafür, dass diese Reize keine Rolle spielen. Das Fehlen dieser Reize ist laut Filtertheorie für einen grundlegenden Effekt der netzbasierten Kommunikation verantwortlich. Kommunikationsvorteile, die Anhand des Aussehens oder des Auftretens einer Person erlangt werden könnten, fallen in der virtuellen Umgebung vollständig weg, was wiederum einen enthemmenden Effekt zur Folge hat. (Döring 2003, S. 154 f.). Diese Eigenschaft scheint ein Grund dafür zu sein, warum im Internet Personen zu Wort kommen, die in den Kommunikationssituationen des realen Lebens eher untertauchen. Menschen mit mangelndem Selbstvertrauen haben im Netz die Möglichkeit, ihre Meinungen zu verbreiten. Das Aussehen spielt dabei keine Rolle. Wo in der direkten Kommunikation die Attraktivität einer Person entscheidend für die Aufmerksamkeit der Zuhörer sein kann, zählt im Internet lediglich der Inhalt der Aussage. (Wallace 1999, S. 138 f.). Stereotype in Bezug auf das Äußere des Kommunikationspartners haben also keinerlei Einfluss auf die Meinungsbildung im virtuellen Setting.

Allerdings sind die Ideen der Filtermodelle nur teilweise anwendbar, wenn es um die Kommunikation zwischen Personen geht, die sich bereits persönlich kennen gelernt haben. In diesem Fall müssten zumindest Hintergrundinformationen über den Gesprächspartner vorhanden sein. Sein sozialer Status sollte dann beispielsweise einen Einfluss auf den Gesprächsverlauf haben (Döring 2003, S.157). Ein weiterer Ansatz zur computergestützten Kommunikation betrachtet den Sachverhalt aus der Sicht des Kommunikanten, welcher die freie Wahl zwischen den verschiedenen Medien hat. Die Theorie der rationalen Medienwahl setzt dabei ebenfalls ein Defizit der Netzkommunikation voraus. Für verschiedene kommunikative Aufgaben muss das passende Medium ausgewählt werden. Eine große Rolle spielen dabei Stichwörter wie die soziale Präsenz und die mediale Reichhaltigkeit (Döring 2003, S.132).

Beides sind Werte, die bestimmen, ob ein spezielles Telekommunikationsmedium für den Einsatz in einer bestimmten Situation geeignet ist. Soziale Präsenz besagt dabei, wie stark der interpersonale Kontakt in einer Kommunikationssituation ist. Face-to-Face-Kommunikation steht hier an erster Stelle. Das gilt auch für den Sachverhalt der medialen Reichhaltigkeit. Hierbei werden Medienkanäle anhand der Möglichkeiten zur Übermittlung mehrschichtiger Botschaften eingeschätzt (Döring 2003, S. 132). Weitergehend kann dann eine Hierarchie der zur Verfügung stehenden Medien erstellt werden. Je größer die mediale Reichhaltigkeit und die soziale Präsenz eines Mediums ist, desto eher ist dieses für ein genaues Kennenlernen der Kommunikationsteilnehmer untereinander geeignet. Das bedeutet auch, dass netzbasierte Dienste, wie die E-Mail, in erster Linie für den schnellen Informationsaustausch zu gebrauchen sind (Döring 2003; Petzold 2006).

Eine Eignung des Mediums für die tiefergehende Beratung müsste dann zumindest in Frage gestellt werden. Die Kommunikation per Mail oder über andere textbasierte Webdienste sollte anhand dieser Betrachtungen nicht optimal geeignet sein, um Bindungen über das Internet aufzubauen und zu verfestigen. In einem weitergehenden Schritt sollen daher die sozialen Beziehungen im Internet untersucht werden.


Soziale Beziehungen im Internet

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