Es gibt ethische Grundsätze, die den Umgang mit den Klienten regeln sollen. Dabei steht das Wohl der Hilfebedürftigen an erster Stelle. Die Gefahr ist groß, dass Personen mit persönlichen Problemen auf der Suche nach Hilfe im Internet an die falschen Berater geraten. Gerade der Punkt der Autonomie der Klienten ist hier zu nennen. Diese müssen vom Berater als selbst bestimmende Individuen akzeptiert und behandelt werden (Robson 2000, S. 251).

Ethik der Onlineberatung (Klienten)

Diese Autonomie hat aber auch Grenzen. Sobald das Verhalten der Betroffenen eine Gefahr für das eigene Wohl oder das von anderen Personen darstellt, ist der Berater gezwungen, die Autonomie der Klienten in Frage zu stellen. Gleiches gilt auch, wenn die Rechte von dritten Personen in Mitleidenschaft gezogen werden. In kritischen Situationen kann der Berater gezwungen sein, das Vertrauensverhältnis zum Klienten zu brechen, um schlimmere Folgen zu vermeiden. Das muss zum Beispiel bei Androhungen von Mord, Selbstmord oder Gewalt gegen Andere geschehen. Die Anonymität des virtuellen Umfeldes erschwert in diesem Zusammenhang jedoch rechtzeitige Interventionen (Robson 2000).

Ein weiterer Grundsatz ist das Wohlergehen der Klienten. Eine Verbesserung des Zustandes sollte im Mittelpunkt der Bestrebungen des Beraters stehen. Auch hier gibt es eine Unmenge an unseriösen Angeboten, die ein solches Bemühen vortäuschen, am Ende aber nur den kommerziellen Profit im Sinn haben. Wie der Klient mit der Beratung zurecht kommt ist dabei zweitrangig. Doch auch die seriösen Angebote haben aufgrund der speziellen Kommunikationssituation im Internet Probleme, diesen Grundsatz immer zu gewährleisten. Der rein textbasierte Austausch kann dabei die Möglichkeiten des Beraters in Bezug auf das Wohlergehen des Klienten einschränken (Robson 2000).

Diese Sicht deckt sich mit der bereits diskutierten Idee der Reizreduktion (Döring 2003). Der Berater kann anhand der textbasierten Kommunikation lediglich die Inhalte der Aussagen erfassen. Das nonverbale Verhalten des Klienten könnte dagegen einen Aufschluss über dessen wahre Befindlichkeiten liefern, sofern diese sich von den Aussagen im Text unterscheiden. Der Text gibt unter Umständen nur einen Teilaspekt oder ein verzerrtes Bild der Realität wieder. Aufgrund dieser mangelhaften Informationen könnte der Berater also zu einem falschen Ergebnis in Bezug auf die Probleme des Klienten gelangen. Demzufolge würden auch die Interventionen in eine falsche Richtung wirken. Das Wohlergehen des Klienten ist so nicht endgültig zu sichern. Dazu kommt der Fakt, dass eine rechtzeitige Intervention in einer Notsituation nur schwer erfolgen kann.

Der Berater hat keine direkten Eingriffsmöglichkeiten. Auch die Zusammenarbeit mit örtlichen Beratungsstellen, die im Notfall intervenieren könnten, ist in der Internetberatung nicht immer gegeben. Um das Wohlergehen des Klienten zu sichern kann der Berater gezwungen sein, das Prinzip der Autonomie zu brechen. Die verschiedenen ethischen Prinzipien müssen also in bestimmten Situationen gegeneinander abgewogen werden, um den Klienten nicht zu schädigen. So muss in manchen Fällen die Vertraulichkeit der Beratungssituation gebrochen und ein Kontakt mit externen Interventionsmöglichkeiten hergestellt werden. Das Wohlergehen des Klienten würde also schwerer wiegen, als dessen Recht auf Autonomie.

Das Wohlergehen des Klienten als ethisches Prinzip ist immer auch eine Interpretationssache. Es können unterschiedliche Vorstellungen von Seiten des Beraters und des Klienten vorherrschen, was in einer bestimmten Situation die beste Lösung ist. Sehr schnell kann der Versuch, das Wohlergehen zu sichern, zu einer Schädigung des Klienten führen und somit das nächste ethische Prinzip verletzen. Der Klient sollte in jedem Fall vor Unheil und Schaden bewahrt werden (Robson 2000). Die Gefahr, an einen Berater zu geraten, der vor allem die eigene Bereicherung als Ziel verfolgt, ist im Internet besonders hoch. In diesem Fall wird eine Schädigung des Klienten bewusst in Kauf genommen. Dieser hat aber nur begrenzte Möglichkeiten, zwischen seriösen und unseriösen Angeboten zu unterscheiden. Die bereits erwähnten Gütesiegel können nur dann wirken, wenn der Klient auch über deren Funktion informiert ist. Es ist also ein gewisses Maß an Aufklärungsarbeit zu leisten. Das geschieht in Deutschland zum Beispiel durch den Verband der Psychologinnen und Psychologen.

Die technischen Bedingungen des Internet öffnen einer finanziellen Ausbeutung der Klienten Tür und Tor. Gerade bezahlte Beratungsangebote können schnell zu einer Falle werden. Die Zahlungsmöglichkeiten per Kreditkarte oder E-Cash sind nicht immer sicher. Auch die Sicherheit der persönlichen Daten ist nicht unbedingt gewährleistet. Während ein ungewollter Mitschnitt eines Beratungsgesprächs in einer Face-to-Face-Situation schwer möglich ist, kann das per Online-Austausch ohne Probleme geschehen (Robson 2000, S. 254). Der Klient kann sich nicht sicher sein, in welcher Form seine Aussagen weiterverwendet werden. Der Berater muss sich dieser Bedenken im Klaren sein und versuchen, sie durch den Aufbau einer vertraulichen Beziehung zu zerstreuen. Die Anonymität der Gesprächssituation kann allerdings auch gegen diese Bedenken wirken. Solange der Klient seinen Namen und weitere persönliche Angaben nicht preisgeben muss, wird sich auch die Sorge in Grenzen halten, dass seine Aussagen belastend gegen ihn eingesetzt werden könnten.

Das Prinzip der Vermeidung von Unheil für den Klienten umfasst auch ein weiteres allgemeines Problem im Internet. Nicht jeder hilfsbedürftige Internetnutzer kann auch wirklich selbstständig in eine Beratung einwilligen. Bei kostenpflichtigen Angeboten stellt sich immer die Frage nach der Mündigkeit der Nutzer. In diesem Zusammenhang sind vor allem vertragsrechtliche Konsequenzen zu bedenken. Auch kostenfreie Beratung wird mit dem Problem konfrontiert, dass das tatsächliche Alter der Klienten nicht wirklich nachgewiesen werden kann. Wenn es sich um minderjährige Personen handelt, kann die unpassende Beratungsstrategie zu einer Schädigung des Klienten führen, sofern dieser sein wahres Alter nicht angegeben hat (Robson 2000).

Der Berater hat keine Möglichkeit, die Angaben zu prüfen. Aufgrund der eingeschränkten Kommunikation im textbasierten Gespräch kann das reale Alter des Kommunikationspartners in den meisten Fällen nicht erkannt werden. Bei einer Telefonberatung würde wenigstens die Stimme einen Aufschluss geben (Robson 2000, S. 255). Der Berater könnte also in bestimmten Situationen gezwungen sein, das Alter des Klienten anhand der Formulierungen der Textinhalte zu schätzen und seine Strategie dementsprechend zu ändern. Ein Irrtum würde dann wiederum mit einer Gefährdung des Wohlergehens des Klienten verbunden sein.

Eine regelmäßige Supervision ist in der Beratung ebenfalls notwendig, um die Klienten vor Schaden zu bewahren. Der Berater muss seine Strategien und Methoden von einem erfahrenen Supervisor einschätzen lassen, um auf eventuelle Fehler und Schwächen aufmerksam gemacht zu werden. Das virtuelle Setting erschwert aber die Leistungskontrolle und Qualitätsverbesserung durch eine solche Supervision, zumal die Reaktionen des Klienten nur in Textform vorliegen (Robson 2000). Eine effektive Supervision müsste auch die nonverbalen Reaktionen in die Analyse einbeziehen. Beratungsgespräche über das Internet können für eine Supervision aber nachgestellt werden. Es sollte also für jeden Berater verbindlich sein, die eigene Arbeit regelmäßig evaluieren zu lassen. Gerade private Anbieter sind aber nicht an solche Kontrollen gebunden.

Ein weiteres ethisches Prinzip regelt das Verhältnis von Ehrlichkeit, Treue und Vertrauen zwischen Berater und Klienten. Der Aufbau einer funktionierenden Beziehung kann nur mit einem bestimmten Maß an Vertrauen realisiert werden. Das umfasst zum Beispiel den Nachweis der Qualifikationen des Beraters auf dessen Internetseite, aber auch die Freiheit des Klienten, jederzeit die Beratung abzubrechen (Robson 2000). Es fällt unter Umständen schwer, Vertrauen zu einer Person aufzubauen, die man nicht vor Augen hat. Ein vertrauliches Verhältnis kann durch die räumliche Distanz erschwert werden, ist aber für eine erfolgreiche Beratung unverzichtbar (Döring 2000; Robson 2000).

Mit der Angabe von Referenzen und beruflichen Erfahrungen auf der eigenen Website kann der Berater zumindest das Vertrauen in seine Kompetenzen herstellen. Eine Manipulation dieser Angaben ist dabei nicht ausgeschlossen. Die bleibende Unsicherheit auf Seiten des Klienten kann durch die Unverbindlichkeit der Beratungssituation vermindert werden. Bei kostenpflichtigen Angeboten sollte eine Möglichkeit zur Reklamation bestehen, damit der Klient so frei wie nur möglich in seinen Entscheidungen bleibt (Robson 2000). Das wird durch den generellen unverbindlichen Charakter der meisten Internetangebote unterstützt. Wie bei anderen Webdiensten, kann auch eine Internetberatung jederzeit abgebrochen werden. Ein Ausstieg mitten im Gespräch fällt in einem Chatroom natürlich wesentlich leichter als in einer Beratungssituation, die über persönlichen Kontakt stattfindet.

Auch Beständigkeit gehört zu einem auf Treue basierenden Verhältnis, wie es sich zwischen Berater und Klienten aufbauen sollte. Das gestaltet sich im virtuellen Rahmen nicht einfach. Während in einer herkömmlichen Beratung Termine und zeitliche Grenzen festgelegt sind, ist eine virtuelle Beratung nicht zwangsläufig an solche zeitliche Rahmungen gebunden. Die Beantwortung einer E-Mail kann sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, was wiederum das Verhältnis zwischen Klienten und Berater belasten wird. So können unterschiedliche Vorstellungen auf Seiten des Klienten oder des Beraters vorhanden sein, wie schnell eine solche Nachricht beantwortet werden sollte. Das Nichteinhalten dieser Frist kann wiederum zu fehlerhaften Interpretationen und damit zu einer Störung der Beziehung führen.

Die Folge kann zunächst Frustration und im weiteren Verlauf ein Abbruch der Beratung sein. Auf der anderen Seite kann die Zeit zwischen den Nachrichten auch einen wertvollen Raum für Reflexionen eröffnen (Haberstroh u. a. 2007). Ob sich jeder Klient dieser Möglichkeit bewusst ist und die erforderliche Geduld mitbringt, muss allerdings in Frage gestellt werden. Ähnliches gilt auch für die technischen Probleme. Ein Beratungsgespräch per Chat kann aufgrund einer gestörten Verbindung abgebrochen werden oder überhaupt nicht zustande kommen. Die Beständigkeit, welche von fundamentaler Bedeutung für eine erfolgreiche therapeutische Beziehung ist, kann durch diese Probleme in Mitleidenschaft gezogen oder erst gar nicht erreicht werden (Robson 2000).

Aus diesem Grund sollte der Berater über die schon besprochenen technischen Kompetenzen verfügen, um in einer entsprechenden Situation schnell reagieren zu können. Weiterhin sollten genaue Vereinbarungen über den Zeitraum, der für die Beantwortung einer E-Mail benötigt wird, getroffen werden. Bei technischen Problemen in Chatsitzungen oder Videokonferenzen muss dem Klienten umgehend ein Ausweichtermin mitgeteilt werden, damit die Beständigkeit gewährleistet werden kann. Die Beständigkeit des Beratungskontaktes kann auch gesichert werden, indem weitere Kommunikationskanäle neben den im Internet zur Verfügung gestellt werden. Eine Telefonnummer oder sonstige Kontaktmöglichkeit sollte für Notfälle angegeben werden (Eichenberg & Laszig 2003). Technische Kompetenzen können auch vom Klienten erwartet werden. Die Beständigkeit der Beziehung in der Beratungssituation kann auch unterbrochen werden, wenn die Klienten nicht über das nötige technische Wissen verfügen. Es sollte daher zu den Aufgaben eines Beraters im Internet gehören, die Teilnehmer in die technischen Abläufe einzuweisen. Das wird bei einem gewöhnlichen E-Mail-Kontakt sicher nicht in dem Maße nötig sein, wie bei einer Videositzung (ebenda).