Herkömmlichen Beratungsdiensten wird oft eine vorrangige Orientierung an der Mittelschicht der Gesellschaft vorgeworfen (Kirst 2006, S. 71 f.). Das ist gleichbedeutend mit einer Unterversorgung von Menschen, die eigentlich erhöhten Bedarf an einer Beratung haben. Gerade sozial benachteiligte Familien und Immigranten sind unter den Klienten von Beratungsangeboten unterrepräsentiert. Ein Grund für diesen Zustand ist die Komm-Struktur vieler Beratungsdienste (Kirst 2006, S. 72).

Sozialer Status und Bildung

Diese scheint für mittelständischen Klienten eher geeignet zu sein. Sozial schlechter gestellte Klienten müssen dagegen in ihrem Umfeld erreicht werden, da sie deutlich weniger Bereitschaft zeigen, von sich aus auf die Beratungsstellen zuzugehen. Ein Grund dafür sind oft negative Vorerfahrungen mit ambulanten Hilfsdiensten. Ein erneutes Anvertrauen gegenüber einer Beratungseinrichtung stellt da eine große Zugangshürde dar (Kirst 2006, S.72).

Prinzipiell könnte eine Onlineberatung die Unterversorgung dieser Gesellschaftsgruppe ausgleichen. Die Zugangshürde dürfte bei einem internetbasierten Hilfsangebot wesentlich geringer sein. Gerade die Anonymität der Beratung könnte sozial benachteiligten Personengruppen entgegenkommen und für eine vermehrte Nutzung der Angebote sorgen. Dagegen spricht aber die generelle Entwicklung der Internetnutzung. Laut Statistik nutzen beispielsweise deutlich weniger Arbeitslose als Erwerbstätige das Internet (ARD/ZDF-Onlinestudie 2007). Das deutet darauf hin, dass sozial benachteiligte Personen schlechter Zugang zum Internet finden und dadurch auch nicht über Beratungsangebote im Netz erreicht werden können.

Der Bildungsgrad scheint hier ebenfalls eine Rolle zu spielen. Manche Beratungsangebote werden von einer deutlichen Mehrzahl höher gebildeter Klienten wahrgenommen. Oft handelt es sich um Personen mit einem Hochschulabschluss (Hänggi 2006). Das spricht dafür, dass die Angebote im Netz eher ein gut situiertes und gut ausgebildetes Klientel erreichen, welches der gesellschaftlichen Mittelschicht zugeordnet werden kann. Auch „Jugendliche mit einem höheren Bildungsniveau“ werden eher erreicht, als ihre Altersgenossen (Brummel 2008, S.10).

Die Möglichkeit, Versorgungsmängel für sozial benachteiligte Personen auszugleichen, greift also nicht immer. Auch hier kann ein generelles Phänomen vermutet werden. Die wachsende Wissenskluft, oder besser die digitale Kluft, zwischen armen und reichen, zwischen schlechter und besser ausgebildeten Menschen, sorgt für eine Benachteiligung der sozial schlechter gestellten Bevölkerungsgruppen, was die Aneignung neuer Technologien angeht (Arnhold 2003, S. 15). Das betrifft den Zugang zu Informationen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Nutzung von Beratungsangeboten im Internet. Eine häufige Nutzung von Internetangeboten scheint zudem im direkten Zusammenhang mit dem Grad der Nachfrage nach Onlineberatung zu stehen (Leibert u. a. 2006). Eine Vertrautheit mit dem Medium kann sich also auf die Nutzung von Beratungsdiensten im gleichen Umfeld auswirken. Benachteiligte Personengruppen würden demnach weniger vertraut mit dem Medium sein und daher keinen Zugang zu den Angeboten finden.

Finanzielle Möglichkeiten der Klienten



Im Zusammenhang mit dem sozialen Status sind auch die finanziellen Möglichkeiten der potentiellen Klienten von Bedeutung. Wie schon erwähnt gibt es kostenlose und kostenpflichtige Angebote sowohl für ambulante als auch für netzgestützte Beratung. Kostenpflichtige Angebote werden gerade sozial benachteiligte Personen von einer Beratung abschrecken. Es scheint also keinen besonderen Grund zu geben, warum finanziell schlechter gestellte Personen die Beratung im Internet der Offline-Beratung vorziehen sollten. Beides steht als kostenlose Variante zur Verfügung. Wenn eine kostenpflichtige Beratung ausgewählt wird, dann ist die Internetvariante allerdings günstiger, als eine Face-to-Face-Beratung. Die Kosten für den Internetzugang könnten hier allerdings schon gegen eine Nutzung von Onlinediensten sprechen, obwohl die Preise in dem Bereich deutlich gesunken sind.

Die Idee der digitalen Kluft kann auch für ein weiteres Phänomen herangezogen werden. Es wird deutlich, dass die Bewohner ländlicher Regionen netzgestützte Beratung nicht in dem Maße beanspruchen, wie es städtische Bürger tun (Brummel 2008). Dabei wäre Onlineberatung, wie bereits beschrieben, gerade für diese Zielgruppe geeignet, da es in ländlichen Gebieten an ambulanten Hilfseinrichtungen mangelt. Prinzipiell kann es auch nicht mit Zugangsschwierigkeiten zum Internet begründet werden. Die technischen Voraussetzungen wären gegeben, da ein Hochgeschwindigkeitszugang auch über Satellit möglich ist und diese in ländlichen Gebieten sehr verbreitet sind. Zudem werden immer mehr Gemeinden an das Kabelnetz angeschlossen und können auch so einen Zugang zum Netz realisieren.

Die „schlechte psychosoziale Infrastruktur“ und die prinzipiell vorhandenen Zugangsmöglichkeiten zum Internet sollten also eigentlich eine verbreitete Nutzung von Onlineberatung in der ländlichen Bevölkerung begünstigen (Brummel 2008, S. 11). Es herrscht aber ein klares Stadt-Land-Gefälle vor, das unter anderem auf Unterschiede im Bildungsgrad und damit auch auf die Idee der Wissenskluft zurückzuführen ist (Arnhold 2003). In ländlichen Regionen sind nach wie vor Haupt- oder Realschulabschluss verbreiteter als das Abitur. Es scheint also einen Zusammenhang zwischen der städtischen Umgebung, dem Bildungsstand und dem Nutzungsgrad von Onlineberatung zu geben (Brummel 2008, S.11). Zudem nutzen Personen aus Gegenden mit einer guten psychosozialen Versorgung die netzgestützte Beratung häufiger. Das deutet darauf hin, dass Vorerfahrungen mit ambulanten Beratungsangeboten die Bereitschaft stärken, eine Onlineberatung zu nutzen.

Was die Nutzung der Internetberatung durch gehandikapte Menschen betrifft, so sind bislang keine aussagekräftigen Aussagen dazu aufzufinden. Prinzipiell wäre das Medium Internet für eine Beratung dieser Personengruppen sehr gut geeignet. Körperlich behinderte Menschen können bequem einen Zugang erlangen, ohne den mühevollen Weg in eine örtliche Beratungsstelle in Kauf nehmen zu müssen. Hörgeschädigte Personen haben über die textbasierten Kommunikationsformen ebenfalls eine gute Möglichkeit, Beratung zu empfangen, ohne auf Berater mit speziellen Fähigkeiten oder Übersetzer für die Gebärdensprache angewiesen zu sein. Die Barrierefreiheit des Internet müsste gerade diesen Menschen sehr entgegen kommen. Deskriptive Studien berichten dagegen von einer verhältnismäßig geringen Zahl an körperlich behinderten oder hörgeschädigten Teilnehmern. Der Anteil liegt zum Teil unter einem Prozent (Dubois 2004, S. 20).